Ballett am Rhein: Martin Schläpfers b.22 feierte Premiere im Theater Duisburg

Episoden von Emotionen und Träumen,
vom Innenleben und dem Verborgenen

Von Petra Grünendahl

Martin Schläpfer: verwundert seyn – zu sehn – Ann-Kathrin Adam, Marcos Menha, Chidozie Nzerem Foto: © Gert Weigelt.

Martin Schläpfer: verwundert seyn – zu sehn – Ann-Kathrin Adam, Marcos Menha, Chidozie Nzerem Foto: © Gert Weigelt.

Der Tänzer (Marcos Menha) ist zunächst hin und her gerissen zwischen seinem eigenen dunklen Alter Ego (Chidozie Nzerem) und einem lichten befreienden Geist (Ann-Kathrin Adam). Er flüchtet sich in Träumereien und Illusionen, die er mit anderen Tänzern auslebt. Wo er zum Spielball seiner Bedürfnisse wird, bevor er in sein eigenes Ich zurückfindet – und zu seinem dunklen Alter Ego. Um die Episoden seiner „getanzten Erzählung“ musikalisch zu untermalen, wählte Schläpfer drei Stücke von zwei unterschiedlichen Komponisten aus. Eingerahmt von den eher experimentellen Sonaten Nr. 6 und Nr. 10 des russischen Komponisten und Pianisten Alexander Skrjabin (1872 – 1915) ist ein beschwingter früher Walzer von Franz Liszt (1811 – 1886). Als instrumentelle Begleitung seiner Tänzer hatte Schläpfer den weißrussischen Pianisten Denys Proshayev gewonnen, dessen Anschlag ganz hervorragend mit dem Tanz harmoniert.

Martin Schläpfer: verwundert seyn – zu sehn – Helen Clare Kinney, Marcos Menha, Christine Jaroszewski, Ann-Kathrin Adam (hinten) Foto: © Gert Weigelt.

Martin Schläpfer: verwundert seyn – zu sehn – Helen Clare Kinney, Marcos Menha, Christine Jaroszewski, Ann-Kathrin Adam (hinten) Foto: © Gert Weigelt.

Martin Schläpfers Choreografie „verwundert seyn – zu sehn“ erlebte im Rahmen des Ballettabends b.22 eine begeistert gefeierte Uraufführung im Theater Duisburg. Ein Ballettabend ohne Orchester, mit reduzierter musikalischer Begleitung und ebenso zurückhaltenden, teils sehr reduzierten Bühnenbildern. Auf gute zwei eindreiviertel Stunden ist der Ballettabend angelegt, unterbrochen werden die drei Stücke von zwei Pausen.
Der Titel des ersten Teils, „verwundert seyn – zu sehn“ stammt aus einem Zitat aus Arthur Schopenhauers „Parerga und Paralipomena“ (dt. „Beiwerke und Nachträge“), einer Sammlung von philosophischen Texten zu den verschiedensten Themen. Dieses Textfragment – „verwundert seyn – zu sehn“ – inspirierte Schläpfer zu seiner Erzählung vom Leben und Träumen.

Martin Schläpfer: ein Wald, ein See – Ensemble Foto: © Gert Weigelt.

Martin Schläpfer: ein Wald, ein See – Ensemble Foto: © Gert Weigelt.

Mysterium der Tiefe
„Ein Wald, ein See“ – sind Flächen, Horizonte, von unergründlicher Tiefe. Wellenförmig geformte Metallstangen schweben über der Bühne, wie Wellen auf dem Wasser. Dünne Stäbe halten sie von oben: ein Wald, ein See. Die Tänzer auf der Bühne: in den dunklen Tiefen des Sees, in der Dunkelheit des tiefsten Waldes. Martin Schläpfer hatte in seiner Zeit als Ballettdirektor in Mainz den britischen Musiker, Performer und Komponisten Paul Pavey gebeten, ihm die Musik für ein Ballett zu schreiben (2006 Uraufführung). Das Stück ist unkonventionell. Nicht leicht fällt auf Anhieb der Zugang. Man muss sich auf die Mystik der Klänge einlassen. Der Komponist selbst spielt hier sein Stück: Auf Instrumenten wie Fujara (slowakische Hirtenflöte), Wassertrommel, Flügelhorn, Trompete, Darabuka (arabische Bechertrommel), Hathway Saz (orientalische Langhalslaute), Klavier, Stimme und Electronics. Schläpfers Vorgaben an die Komposition spiegeln das Eindringen in die Tiefen und Mysterien von Wald und See, die Schläpfers Tänzer bildlich auf die Bühne zaubern.

Jerome Robbins: Moves © The Jerome Robbins Rights Trust – Ensemble Foto: © Gert Weigelt.

Jerome Robbins: Moves © The Jerome Robbins Rights Trust – Ensemble Foto: © Gert Weigelt.

A Ballet in Silence
Eingerahmt von seinen eigenen Choreografien hat Schläpfer Jerome Robbins’ „Moves“, das ganz ohne Musik auskommt. Dem amerikanischen Choreografen war nichts anderes übrig geblieben, denn Auftragskomponist Aaron Copland hatte ihn schlichtweg im Stich gelassen. Seine Choreografie für sein „Ballett: USA“ und die Tournee durch Europa erarbeitete er mit den Tänzern zunächst ganz ohne Musik. Nur mit den Vorgaben im Kopf, die er dem Komponisten gemacht hatte. Erste Entwürfe stellte Copland dann aber erst kurz vor der Abfahrt vor: Sie passten so gar nicht zu dem, was Robbins mit seiner 16-köpfigen Compagnie einstudiert hatte. Da verzichtete er lieber ganz auf eine akustische Begleitung.

Jerome Robbins: Moves © The Jerome Robbins Rights Trust – Ensemble Foto: © Gert Weigelt.

Jerome Robbins: Moves © The Jerome Robbins Rights Trust – Ensemble Foto: © Gert Weigelt.

Ohne Musik, ein minimalistisches Bühnenbild: die Tänzer ziehen ihren Rhythmus aus der Bewegung ihrer Körper, den Geräuschen des Tanzes auf der Bühne. Ohne Musik ist nicht leise! Dennoch eine Herausforderung für die Tänzer, aber die harmonischen Bewegungen und fließende Interaktion verraten: es fehlt nichts.

 
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Weitere Termine im Theater Duisburg:
So | 25. Januar 2015 | 18:30 Uhr,
Fr | 30. Januar 2015 | 19:30 Uhr,
Do | 5. Februar 2015 | 19:30 Uhr,
Sa | 7. Februar 2015 | 19:30 Uhr und
Mi | 11. Februar 2015 | 19:30 Uhr.
Im Mai und Juni 2015 kommt das Ballett b.22 nach Düsseldorf.

Martin Schläpfer: ein Wald, ein See – Julie Thirault, Andriy Boyetskyy Foto: © Gert Weigelt.

Martin Schläpfer: ein Wald, ein See – Julie Thirault, Andriy Boyetskyy Foto: © Gert Weigelt.

Karten gibt es im Opernshop an der Düsseldorfer Straße 5 – 7 (Öffnungszeiten: Mo bis Fr 10 – 19 Uhr, Sa 10 bis 18 Uhr) oder unter Telefon 0203 / 9407777. Die Abendkasse öffnet 60 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Eine halbe Stunde vor Beginn gibt es eine Einführung im Opernfoyer, die einen kurzen Überblick in die Oper, ihre Handlung und ihre Entstehung gibt. Tickets kosten zwischen 16,10 und 56,00 Euro. Möglichkeiten für Ermäßigungen bei den Ticketpreisen findet man hier.
Martin Schläpfer: ein Wald, ein See – Sachika Abe, Rashaen Arts, Ann-Kathrin Adam, Michael Foster Foto: © Gert Weigelt.

Martin Schläpfer: ein Wald, ein See – Sachika Abe, Rashaen Arts, Ann-Kathrin Adam, Michael Foster Foto: © Gert Weigelt.

© 2015 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Gert Weigelt, Köln / Deutsche Oper am Rhein

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