Zurückhaltung bei Neueinstellungen wegen erwarteten Kostensteigerungen
“Auch wenn Großunternehmen einen umfangreichen Stellenabbau angekündigt haben, hat es im der Umfrage nicht durchgeschlagen“, erklärte Reinhard Schulz, Hauptgeschäftsführer der IHK Dortmund. Die Beschäftigungslage war in Deutschland noch nie so gut wie zur Zeit: „Aber wir haben im Ruhrgebiet auch eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit, die uns Sorgen macht“, so Burkhard Landers, Präsident der Niederrheinischen IHK in Duisburg.

IHKs im Ruhrgebiet stellen Konjunkturbericht vor (v.l.): Reinhard Schulz (IHK Dortmnund), Präsident Burkhard Landers, Dr. Stefan Dietzfelbinger (beide IHK Duisburg) und Dr. Gerald Püchel (IHK Essen).
Zwei Mal jährlich erstellen die Industrie- und Handelskammern (IHK) im Ruhrgebiet (www.ihks-im-ruhrgebiet.de) einen gemeinsamen Bericht zur Wirtschaftslage. Den 92. gemeinsamen Konjunkturbericht Ruhrwirtschaft stellte Burkhard Landers mit Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der dieses Jahr federführenden IHK Duisburg, Reinhard Schulz von der IHK Dortmund sowie Dr. Gerald Püchel, Hauptgeschäftsführer der IHK Essen, gemeinsam bei der Niederrheinischen IHK an der Mercatorstraße vor. Mehr als 900 Unternehmen mit insgesamt über 130.000 Beschäftigten hatten an der Befragung teilgenommen.
Der Wirtschaft im Ruhrgebiet geht es insgesamt gut
„Von Euphorie ist aber keine Spur, vor allem wegen der ausufernden Energie- und Rohstoffpreise sowie der Arbeitskosten“, erklärte Landers. Als „gut“ bewertet jedes dritte Unternehmen seine aktuelle Situation, weitere 53 Prozent sind immerhin „zufrieden“. Zum dritten Mal in Folge blicken mehr Unternehmen optimistischer in die Zukunft. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der Lage und Erwartungen zusammenfasst, steht nach 112 Punkten im Herbst nun auf 115 Punkten.
Die Aussichten sind gut, aber die Risiken seien nicht zu unterschätzen, so Landers. Neben den Folgen von Koalitionsentscheidungen zu den Arbeitskosten seien es vor allem die Energiekosten. Immerhin entfallen 43 Prozent des industriellen Energieverbrauchs in NRW und 17 Prozent bundesweit auf das Ruhrgebiet. Eine solche Konzentration vor allem auch von energieintensiven Industriebetrieben gibt es in Deutschland nirgends sonst. Und das macht die sichere und bezahlbare Energieversorgung für viele Unternehmen zu einer Existenzfrage. Dann stehen auch die Standorte mit vielen anspruchsvollen Arbeitsplätzen auf dem Spiel. Dies gilt gerade auch für die Duisburger Standorte der Stahlindustrie, die als Eigenstromerzeuger bislang von der EEG-Umlage befreit sind. Bei den Arbeitskosten erwarten die Unternehmen durch den Mindestlohn sowie durch die Rente mit 63 weitere Kostensteigerungen.
Unternehmen starten mit großen Erwartungen: Mehr Aufträge, stabile Gewinne
Das Exportgeschäft ist anhaltend stark, aber auch die Binnennachfrage zieht langsam an. Investiert wird wieder stärker im Inland, aber mehr noch im Ausland, wo sich Unternehmer neue Absatzmärkte versprechen. Hier lauern, so Landers, Gefahren, dass ausländische Standorte attraktiver werden könnten: „Investitionen, wo immer sie stattfinden, bedingen Veränderungen für die Beschäftigung. Diese Entwicklung werden wir sorgfältig im Auge behalten.“ Geplante Neueinstellungen werden im Ruhrgebiet aktuell eher etwas zurückgestellt. Damit gibt es kaum Impulse für den Arbeitsmarkt – Impulse, die das Ruhrgebiet als Wirtschaftsraum aber dringend nötig hätte.
Neuansiedlungen finden aktuell eher im Logistik-Bereich statt. Neue Industrie siedelt sich nicht im Ruhrgebiet an. Umso wichtiger ist es, das produzierende Gewerbe am Ort zu halten und die Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum zu schaffen: „Industrie braucht Freiraum, um sich auszudehnen oder ortsnah zu verlagern“, erklärte Schulz und forderte die Politik auf, die hierfür nötigen Flächen bei Zeiten bereitzustellen, d. h. frühzeitig in Flächennutzungsplänen als Gewerbeflächen auszuweisen. „Wir sind über industrielle Wertschöpfung aus der 2008/2009er Krise gekommen. Wir müssen die Industrie hier halten und dürfen keine schleichende Deindustrialisierung zulassen“, so Landers. Signale aus Düsseldorf wie die Entwürfe zum Landesentwicklungsplan NRW und zum Klimaschutzplan NRW sehen aber weitere Einschränkungen für die Gewerbeflächenentwicklung vor.
Gefahren durch marode Infrastruktur
„Eine funktionierende Infrastruktur ist gerade für uns im Ruhrgebiet ein entscheidender Standortfaktor“, erklärte der IHK-Präsident, und: „Wir Unternehmer wissen, dass mindestens die Wertverluste neu investiert werden müssen, wenn die Leistungsfähigkeit unseres Unternehmens erhalten bleiben soll.“ Seit über 20 Jahren sinkt hier allerdings die Nettoinvestitionsquote des Staates kontinuierlich. Die Infrastruktur ist entsprechend marode. Das gilt für Straßen und Brücken ebenso wie für Schienen oder Schifffahrtswege und Schleusen. Dass die öffentliche Hand ihren Pflichten schon seit Jahren nicht mehr nachkommt, hat mittlerweile auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Hier muss dringend gegengesteuert werden, das verlangen die Wirtschaftsverbände schon seit Jahren. Denn das produzierende Gewerbe ist auf die Verkehrswege und eine funktionierende Logistik angewiesen.
Politik ist gefordert
„Die Politik kann Wirtschaft nicht steuern, aber sie kann die Rahmenbedingungen und Anreize schaffen. Unternehmer und Investoren müssen Chancen sehen“, bilanzierte Stefan Dietzfelbinger. „Investitionszyklen sind nicht mehr 40 Jahre, sondern eher acht bis zehn Jahre. Da ist ein Unternehmen schnell weg, wenn die Perspektiven nicht mehr stimmen.“ Und IHK-Präsident Landers forderte: „Unser Standort muss wettbewerbsfähig bleiben!“
Zum Download: 92. Konjunkturbericht Ruhrwirtschaft (Jahresbeginn 2014)
© 2014 Petra Grünendahl (Text und Fotos), Grafik: IHK