„Duisburg ist schon eine gespaltene Stadt, aber Adolf Sauerland treibt jetzt noch einen Keil zwischen Deutsche und Türken. Das ist verwerflich und schadet der Stadt“, erklärte Ercan Idik, Ratsherr von der SPD, auf der Pressekonferenz des Duisburger Bündnisses Abwahl. „Das Bild, welches hier gezeichnet wird, dass türkische Migranten Adolf Sauerland unterstützen würden, ist falsch!“
Zur Pressekonferenz hatte die Abwahlinitiative in den Kleinen Prinzen eingeladen. Thema der Runde: Wie stehen Duisburger mit Migrationshintergrund zur Abwahl von Oberbürgermeister Adolf Sauerland? Neben Theo Steegmann, einem der Sprecher der Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“, saßen sechs Vertreter aus der Duisburger Politik und Gesellschaft (Ratsleute, Bezirksvertreter, Ausschussmitglieder und Betriebsräte/Arbeitnehmervertreter), deren Namen druchweg einen türkischen Migrationshintergrund verrieten. Alle sechs sind Duisburger – und das seit vielen Jahrzehnten! Sie haben deutsche Pässe, sind in Duisburg verwurzelt und engagieren sich hier für die Gemeinschaft. Menschen wie sie gibt es viele in Duisburg, aber sie stehen kaum in der Öffentlichkeit. In den Fokus der Öffentlichkeit gezerrt wurden die Duisburger mit Migrationshintergrund von Adolf Sauerland, der in türkischen Publikationen „Türken“ aufforderte, für ihn zu stimmen.
„Natürlich wird Adolf Sauerland auch von den türkischen Mitbürgern eingeladen. Zum Feiern kommt er auch, aber ein Grüß-August macht noch keine Integration. Für die Integration hat Sauerland außer Reden vor türkischen Organisationen nichts getan“, so Ünsal Baser. Dem stimmt auch Mirze Edis, Betriebsrat und Linken-Vertreter in der BV Süd zu. Das „Hervorheben der Türken spaltet“, führt Kenan Ilhan, Sprecher der Linken in Duisburg, an. „Hier werden Menschen entmündigt und instrumentalisiert. Dass den Menschen Adolf Sauerland sympathisch ist heißt ja nicht, dass man auch seine Politik befürwortet. Und Adolf Sauerland trägt als oberster Bürger dieser Stadt die Verantwortung!“ Mirze Edis äußerte sich beschämt, dass „ethnische Herkunft Unterstützung für Adolf Sauerland impliziert. Adolf Sauerland will die Proteste aussitzen. Migranten sollten zu Wahl gehen und ihn abwählen“, machte Edis seine Position deutlich.
„Auch unter Migranten gibt es unterschiedliche politische Ansichten. Es sind nicht alle für Adolf Sauerland oder gegen ihn“, erklärte Elik Keklik. Die junge Frau ist Rechtsanwältin und sitzt für die SPD im Stadtrat. „Sie stellen Fragen nach Verantwortung. Sie sagen: Auch unsere Kinder hätten dort sein können.“ Dort, bei der Loveparade, wo 21 junge Menschen gestorben sind. „Was wäre, wenn dort Menschen aus Marxloh oder Hochfeld, Menschen mit Migrationhintergrund gestorben wären?“ fragte auch Ünsal Baser, Vorsitzender der DGB-Jugend und Mitglied im Integrationsrat. „Im Vordergrund steht für uns das politische Handeln des Adolf Sauerland, der scheut, eine politische Verantwortung über eine juristischen Schuld hinaus zu übernehmen“, so Ercan Idik. Die juristischen Schuld müssten den Gerichte klären, so Rechtsanwältin Keklik. Hier gehe es um die Verantwortung!
Über den Stimmenanteil von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es nur Schätzungen: Ca. 50.000 könnten es sein. Enthalten sind hier aber alle Migranten. Mehr als eine Schätzung ist deswegen nicht möglich, weil mit dem deutschen Pass der Einwohner in der Statistik als Deutscher geführt wird und damit nicht mehr als Migrant erkennbar ist. Von den Duisburgern mit Migrationshintergrund gehen vielleicht acht bis zehn Prozent zur Wahl, schätzt man auf dem Podium. Achtzig Prozent der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund sind nicht organisiert. Sie tendieren politisch eher nach links, so die Meinung der Anwesenden, die natürlich nur das Stimmungsbild in ihrer Familie und Umgebung wiedergeben können. Sehr professionell organisiert dagegen seien zum Beispiel die konservativen bis nationalistischen Kreise und Gruppierungen (dazu zählen diverse Moscheevereine, türkische Idealistenvereine, Milli Görüs oder die Grauen Wölfe). Diese rechts angesiedelten Gruppen prägten zum Bedauern der Anwesenden viel zu sehr das Bild des Migranten in der Öffentlichkeit. Und sie pflegen natürlich gute Kontakte zu konservativen Parteien in Deutschland – wie der CDU (siehe Xtranews-Artikel vom 6. Februar 2012). „Adolf Sauerland versucht, Menschen zu kategorisieren. Wir sind alle Duisburger und wollen uns nicht separieren. Wir streben nach Besserem wie alle anderen auch“, fand auch Sait Keles, Politikwissenschaftler und sachkundiger Bürger von den Grünen, klare Worte.
„Menschen mit Migrationshintergrund durften jahrzehntelang nicht wählen. Das haben sie verlernt“, erklärte Ünsal Baser die geringe Wahlbeteiligung der eingebürgerten Deutschen. Und viele Menschen mit türkischem Pass, die zum Teil seit Jahrzehnten in Duisburg leben, dürfen auch jetzt bei Kommunalwahlen nicht wählen. Die zugewanderten ca. 5.000 Rumänen und Bulgaren in Hochfeld dagegen schon: Arbeiten dürfen sie hier legal (noch) nicht, als EU-Bürger sind sie jedoch wahlberechtigt. Auch hier werden Menschen instrumentalisiert, denn in Hochfeld werden Ängste geschürt: Wenn man nicht für Sauerland stimmen würde, würden sie ausgewiesen. Das ist keine Art, einen Wahlkampf zu führen, denn unsere Stadt ist hier der Verlierer! Deshalb sollten wir alle wählen gehen …
Wer sich das selber ansehen will: Hier ist ein Video von der Pressekonferenz …
© 2012 Petra Grünendahl (Text und Foto), Video: Xtranews
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