In den Dreißigern, Vierzigern, Achtzigern – und heute:
Antifaschismus so nötig wie noch nie!
Von Petra Grünendahl
Ist das Zittern von der Kälte im Raum (die Heizung funktioniert mal wieder nicht) – oder ist es der Anblick von Bildern und Texten aus Zeiten von faschistischem Terror in Deutschland, der einem die Schauer über den Rücken jagt? Das Dokumentationszentrum der VVN in Duisburg belegt die Ausgrenzung und Verfolgung von allem Fremdem, von unerwünschten Gruppen der Gesellschaft, von Andersdenkenden und den vielfältigen Widerstand, der schließlich aus diesen Gruppen entstand. Widerstand gegen den Faschismus ist hier dokumentiert – und er beschränkt sich bei weitem nicht auf Duisburg während der Herrschaft des Naziregimes. Diesen Widerstand der Vergangenheit muss man sich vergegenwärtigen, denn er ist auch heute wieder gefordert!

Das Duisburger Netzwerk gegen Rechts ist seit 2005 im Kampf gegen Faschismus in Duisburg aktiv. Foto: Petra Grünendahl.

Originale KZ-Uniform: Die Streifen sind dünner und durchgewebt, dass entkommene Häftlinge mit „auf links“ gewendeten Jacken immer noch erkannt wurden. Foto: Petra Grünendahl.

Christa Bröcher demonstriert, wie Flugblätter in einem Fahrrad versteckt transportiert wurden. Foto: Petra Grünendahl.
„Aber heute haben wir alle diese Erfahrung. Heute muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet. Für alle zukünftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern.“
Widerständler Peter Gingold in seinen Lebenserinnerungen
Antifaschismus als Aufgabe

Ebenfalls in den Emslandlagern saß Heinz Kiwitz (1910 – 1938, Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Kiwitz), ein Holzschneider aus Duisburg, dessen beeindruckende Werke hier zu sehen sind. Der hochtalentierte expressionistische Künstler hätte auf seinem Gebiet so etwas wie ein zweiter Lehmbruck werden können, wäre er nicht 28-jährig im spanischen Bürgerkrieg im Kampf gegen den Faschismus gefallen. In den Emslandlagern litten etwa 80.000 KZ-Häftlinge, zu denen auch der Friedensnobelpreisträger von 1936, Carl von Ossietzky (1889 – 1938, Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Ossietzky), gehörte. Dort wurden die Gefangenen unter unerträglichen Bedingungen bei der Trockenlegung der emsländischen Hochmoore eingesetzt.

Zerschlagung der Gewerkschaften 1933: Naziterror begann schon kurz nach der Machtergreifung. Foto: Petra Grünendahl.


Der faschistische Terror fing nach dem 30. Januar 1933 sehr schnell an, Andersdenkende zu ermorden. Eine Tafel im Eingangsbereich weist auf die ersten vier von den Faschisten ermordeten Duisburger hin:
1. Februar Katharina „Käthe“ Sennholz,
2. Februar Wilhemine Struth,
3. Februar Karl Wettmann,
4. Februar Kurt Loer …
Das waren nur die ersten, denen allein in Duisburg noch viele Hunderte folgen sollten. Immer fing es mit der Ausgrenzung und Verfolgung derer an, die „die anderen“ waren.
Zu denen, die schon vor 1933 Widerstand leisteten, gehörte Christa Bröchers Mutter Christel Melchers (1909 – 1989). Das erste Mal verhaftet wurde sie 1932, als sie mit anderen auf dem Weihnachtsmarkt in Düsseldorf gegen Hitler demonstrierte. Bereits im April 1033 wurde sie ein zweites Mal verhaftet. Man hatte ihre Widerstandsgruppe, die sich mit anderen Widerständlern am Niederrhein vernetze, verraten und sie stand 1934 in Hamm wegen Hochverrats vor Gericht. Im Gefängnis in Düsseldorf zog sie sich in den nassen Zellen einen bleibenden Nierenschaden zu, der ihr zeitlebens Probleme bereitete.
Es gab Widerstand in christlichen Kirchen und in Jüdischen Gemeinden. Der eine Pavillon ist ganz dem Widerstand von Frauen gewidmet. Dieser Teil der Ausstellung ist auch in seiner Konzeption neuer. Kontinuierlich wurde die Sammlung erweitert in den 20 Jahren, die die Ausstellung schon existiert. Verfolgt und ausgegrenzt wurden Sinti und Roma ebenso wie Homosexuelle. Kommunisten ebenso die Sozialdemokraten bekämpften den Faschismus – sie kämpften aber auch gegeneinander. Das schwächte den Widerstand insgesamt, weil die beiden Gruppen sich nicht zusammen tun wollten und Seite an Seite gegen den Faschismus zu kämpfen. Widerstand gab es in der Arbeiterschaft ebenso wie in bürgerlichen Gesellschaftsschichten. Bei der „Weißen Rose“ (Geschwister Scholl) engagierten sich Studenten, bei den Edelweißpiraten waren es Arbeiterkinder. Die Vielfalt des Widerstandes ist in der Ausstellung des Duisburger VVN / BdA ebenso umfassend dokumentiert wie die Verfolgung derer, die nicht ins Weltbild der Nationalsozialisten passten. An den Schautafeln wird Geschichte von Menschen aus Duisburg lebendig, die von den Nationalsozialisten verfolgt und allzu oft auch getötet wurden.
Zeitzeugen erklärten die Ausstellung

Nach ihm würde die VVN/BdA Duisburg gerne eine Straße benennen: Bruno Bachler berichtete bis zu seinem Tod als Zeitzeuge vom Widerstand gegen den Faschismus. Foto: Petra Grünendahl.
Die Duisburger Kreisvereinigung der VVN / BdA wurde 1947 gegründet, nach der Gründung des Landesverbandes am 26. Oktober 1946. Mitbegründer der VVN in Nordrhein-Westfalen war Christa Bröchers Großvater Toni Melchers, der auch als Zweiter Vorsitzender dem Landesvorstand angehörte. Vorsitzende der Kreisvereinigung ist Doris Michel. Stellvertreterin ist Christa Bröcher. Unter http://www.vvn-bda.de findet man auch Landesverbände und Kreisgruppen. Die Ausstellung kann nur nach Vereinbarung besichtigt werden: Wer Interesse hat, kann sich mit Schatzmeister Hans-Peter Speer unter Telefon 0203 / 664371 oder vvn-bdaduisburg(at)t-online.de in Verbindung setzen.
Am Samstag, 30. April, veranstaltet die Gewerkschaft ver.di ab 17 Uhr einen Gedenkspaziergang gegen Rassismus und Faschismus, an dem auch die VVN / BdA Duisburg beteiligt ist. Interessierte erkunden dabei markante Punkte des Duisburger Widerstandes in der Innenstadt. Mehr …
Literaturtipp:
Tatort Duisburg 1933 – 1945, Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus (in zwei Bänden), herausgegeben von Rudolf Tappe und Manfred Tietz für die Geschichtskommission der VVN / BdA Duisburg, Klartext-Verlag, Essen.
Weitere Bilder als Diashow …
*) Die Moorsoldaten. Liedtext und weitere Informationen: https://www.volksbund.de/fileadmin/redaktion/BereichInfo/BereichPublikationen/Friedenserziehung/Handreichungen/0095_Moorsoldaten_lied.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=jBA7g_qLCNQ
© 2016 Petra Grünendahl (Text und Fotos)
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