Corby Welch begeistert als Peter Grimes in Benjamin Brittens Oper

Wer sich absondert, wird zerstört

Ensemble und Chor der Deutschen Oper am Rhein. Foto: Hans Jörg Michel.

Ensemble und Chor der Deutschen Oper am Rhein. Foto: Hans Jörg Michel.

Dunkel ist die Bühne, düster, zuweilen ziehen Nebelschwaden über das Fischerdorf an der englischen Ostküste im 19. Jahrhundert. Man spürt förmlich die Kälte. Rau wie das Klima und das Land sind hier auch seine Bewohner: Protagonist Peter Grimes (Corby Welch) vielleicht noch ein bisschen mehr als die anderen, die Dorfgemeinschaft, von der sich der Einzelgänger doch lieber absondert.

Bei der Wiederaufführung der Oper „Peter Grimes“ anlässlich des 100sten Geburtstages von Komponist Benjamin Britten erlebten die Opernbesucher erstmals den amerikanischen Tenor Corby Welch in der Titelfigur. Ihre Uraufführung feierte Brittens erste Oper 1945 in der Sadler’s Wells Opera in London, mit Peter Pears, dem Lebensgefährten des Komponisten, in der Hauptrolle. Der Außenseiter Peter Grimes trägt biographische Züge des in Suffolk (an der englischen Ostküste) geborenen Komponisten, der sich als Homosexueller nie in der Mitte der Gesellschaft wieder fand.

    „Es hat nichts mit dem Meer zu tun, es hat mit den Leuten im Dorf zu tun. Oder nein, diese Leute sind überall gleich, wo sie auch sind.“ Benjamin Britten

Tod des Lehrlings provoziert die Dorfbewohner
Im Prolog soll ein Gericht klären, ob Peter Grimes Schuld am Tod seines Lehrlings ist. Die Dorfbewohner wollen ihn schuldig gesprochen sehen, Richter Swallow (Günes Gürle) urteilt auf eine Verkettung unglücklicher Umstände. Wie sehr die Dorfbewohner Grimes zum Schuldigen, zum Sündenbock machen wollen, wird er im Laufe der Handlung klar. Zum einen ist er der Außenseiter ihrer Gemeinschaft: „Wer sich von uns absondert, den zerstören wir“, singen sie im Chor (Dritter Akt). Zum anderen wollen sie damit von ihren eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen ablenken, die in den drei Akten des Stücks nach und nach deutlich werden: Alkoholismus, Drogenkonsum oder Prostitution, die neben dem Tratsch auch Teil des dörflichen Lebens sind.

Corby Welch (Peter Grimes), Sylvia Hamvasi (Ellen Orford), Gregor von Kerssenbrock-Krosigk (Der Junge). Foto: Hans Jörg Michel.

Corby Welch (Peter Grimes), Sylvia Hamvasi (Ellen Orford), Gregor von Kerssenbrock-Krosigk (Der Junge). Foto: Hans Jörg Michel.

In der Vorlage zu „Peter Grimes“, der Verserzählung „The Borough“ (1810) von George Crabbe, ist die Hauptfigur eine böse, negative Gestalt. Dies ließ Britten seinen Librettisten Montagu Slater mehrfach modifizieren, bis Grimes als Außenseiter, rauer Kerl, aber menschlich erschien. Nicht mehr unmotivierter Psychopath war, sondern gesellschaftlicher Außenseiter, der seine Träume von einem besseren Leben und Anerkennung verfolgte. Corby Welch füllte diese Rolle nicht nur sängerisch mit Leben, sondern auch schauspielerisch in allen seinen Dimensionen, die hervorsticht gegen Eindimensionalität der anderen Charaktere. Einzige Ausnahme ist vielleicht die Lehrerin Ellen Orford (Sylvia Hamvasi), die Figur, die noch am weitesten zu ihm steht –und mit der sich Peter eine gemeinsame Zukunft wünscht.
Corby Welch (Peter Grimes), Sylvia Hamvasi (Ellen Orford), Gregor von Kerssenbrock-Krosigk (Der Junge). Foto: Hans Jörg Michel.

Corby Welch (Peter Grimes), Chor der Deutschen Oper am Rhein. Foto: Hans Jörg Michel.

Peter Grimes holt sich mit Hilfe von Ellen und Kapitän Balstrode (Tomasz Konieczny) einen neuen Lehrjungen ins Haus. Als auch dieser durch ein Unglück stirbt, rät Balstrode Grimes, aufs Meer hinaus zu fahren und … nicht wieder zu kommen, sein Boot dort zu versenken. So verschwindet Grimes, ohne je rehabilitiert zu werden. Die Dorfbewohner haben ihren Sündenbock, so dass im Dorf wieder Friede einkehren kann.

Dramatisch und anstrengend
Die Musik ist bombastisch und überwiegend hochdramatisch. Das ist anstrengend, denn ruhige Passagen gibt es kaum, entspannt zurücklehnen ist unmöglich. Das gilt sowohl für die Gesangspassagen als auch für die langen instrumentalen Zwischenspiele der Duisburger Philharmoniker, die unter der Leitung von Wen-Pin Chien die lauten wie die leisen Töne meisterhaft beherrschen. Neben dem brillanten Corby Welch, Sylvia Hamvasi, Tomasz Konieczny und Günes Gürle glänzen unter anderem Renée Morloc als Wirtin Auntie, Florian Simson als Methodist, Marta Márquez als Mrs. Sedley und Dawid Kimberg als Apotheker. Eine bedeutende Rolle spielt hier auch der Chor der Deutschen Oper am Rhein unter der Leitung von Gerhard Michalski (mit Statisten) als „die Dorfbewohner“, die zum Teil auch in Solopassagen zu Wort kommen.

Die Deutsche Oper am Rhein spielt Peter Grimes seit 2009 in der Inszenierung des vielfach ausgezeichneten Regisseurs Immo Karaman, mit einer Choreographe von Fabian Posca. Für sein Bühnenbild zu „Peter Grimes“ wurde Kaspar Zwimpfer 2010 für den deutschen Theaterpreis „Faust“ nominiert: Holzfassaden türmen sich zu Wellen auf. Sie symbolisieren die zerstörerische Kraft des Meeres, was immer wieder durch „herumliegendes Strandgut“ verstärkt wird. Brillant in Szene gesetzt wird die Bühnendekoration durch das Lichtdesign von Volker Weinhart. Die dunklen Kostüme von Nicola Reichert spiegeln Armut, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Das sind eindringliche, grandiose Bilder, die zur dramatisch tosenden Musik passen.

Ein kleiner Vorgeschmack auf den Britten-Zyklus, den die Deutschen Oper am Rhein gerade in ihren Häusern auf die Bühne bringt:
http://www.youtube.com/watch?v=nuMYxIRbC0A&feature=youtu.be

Termine im Theater Duisburg:
am Freitag, 01. November, um 18.30 Uhr.

Termine im Opernhaus Düsseldorf:
am Sonntag, 24.November, um 18.30 Uhr und
am Freitag, 29. November, um 19.30 Uhr

Karten und weitere Informationen sind erhältlich in den Opernshops Düsseldorf und Duisburg, Telefon 0211 – 89 25 211 bzw. 0203 – 940 77 77, sowie über Deutsche Oper am Rhein. Die Abendkasse öffnet 60 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Tickets kosten in Duisburg zwischen 16,10 und 56,80 Euro. Möglichkeiten für Ermäßigungen bei den Ticketpreisen findet man hier.

– Pressemitteilung der Deutschen Oper am Rhein
Foto: Hans Jörg Michel, Mannheim / Deutsche Oper am Rhein

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