Vor 25 Jahren begann der Arbeitskampf bei Krupp in Rheinhausen: Krupp ist tot, aber Rheinhausen lebt
Krupp hatte Rheinhausen geschaffen, Rheinhausen war Krupp. Von der Wiege bis zur Bahre war Krupp mehr als nur ein Arbeitgeber. Bis zu jener schockierenden Nachricht am 26. November 1987, als durchsickerte, dass Krupp das Stahlwerk in Rheinhausen, das größte integrierte Hütten- und Stahlwerk in Europa zur damaligen Zeit – schließen wollte. Einfach so!
Zur Lesung hatten Ingrid Lenders und Jürgen Kitzig für den Initiativkreis „Vorwärts erinnern – 25 Jahre Arbeitskampf Rheinhausen“ in die Bezirksbibliothek Rheinhausen geladen. Ausgewählt hatten sie eine Reihe von Texten aus Büchern, in denen Menschen ihre Erlebnisse aus dem Arbeitskampf niedergeschrieben hatten. Viele Geschichten hat der Arbeitskampf in Rheinhausen vor 25 Jahren geschrieben. Manche sind niedergeschrieben worden. Sie erleichtern heute das Erinnern. Diese Schilderungen von damals helfen in ihrer Authentizität aber auch den Menschen, die den Kampf um das Krupp-Stahlwerk nur „aus der Ferne“ kennen und es verstehen wollen.
Vor der Lesung wurde in den Räumen eine Fotoausstellung zum Thema „25 Jahre Krupp-Arbeitskampf“ eröffnet. Erinnerungen wurden wach, denn viele der ersten Besucher waren damals dabei gewesen, als der Kampf der Stahlarbeiter um ihre Arbeitsplätze begann. Die Lesung begleitete Silvester Pece musikalisch auf seinem Akkordeon mit Liedern u. a. aus dem damaligen Arbeitskampf: „Macht die Tore zu ihr Männer“, „Stahlkocher“, „Es ist was los in Rheinhausen“, „Miteinander“ oder das legendäre „Brot und Rosen“ …
„Keiner schiebt uns weg“
„Rheinhausen muss leben“ war das Motto der Streikenden, „keiner schiebt uns weg“ der Ansporn der Männer und Frauen in Rheinhausen. Ein Arbeitsplatz bei Krupp war damals besser als jede Lebensversicherung gewesen. „Mein Großvater, mein Vater, meine Cousins und ich waren bei Krupp beschäftigt,“ erzählte ein ehemaliger Kruppianer fortgeschrittenen Alters. Auch seine Kinder und Enkel hätten wohl für Krupp gearbeitet, wenn das Werk nicht schließlich doch dicht gemacht worden wäre. Oder hätte „von Krupp gelebt“ wie so viele Geschäfte und Betriebe und fast ganz Rheinhausen zur damaligen Zeit, wo die Arbeiter in Häusern wohnten, die ebenfalls Krupp gehörten. Ein Leben ohne „Krupp“ in Rheinhausen war damals unvorstellbar, hing doch weit mehr als nur das Stahlwerk an Krupp. Die Arbeiter-Siedlungen, das Bertha-Krankenhaus, das Krupp-Gymnasium: von der Wiege bis zur Bahre – Krupp hatte hier mehr als ein Werk auf die Rheinwiesen gestellt. „Krupp“ war ein Mythos, der Arbeit und bescheidenen Wohlstand für die Arbeiter und die Stadt Rheinhausen bedeutete. Bis die Bombe platzte, dass ein modernes Werk, in dem hochmotivierte Leute arbeiteten, einfach dicht gemacht werden sollte. So, wie die Stimmung unter den Arbeitern sich aufheizte, ging der Ruf von Krupp, der Mythos „Krupp“ den Bach runter.
Die Menschen wehrten sich und kämpften, kämpften um ihre Arbeitsplätze, um ihre Existenz – gegen eine übermächtigen Gegner. Keine andere Werksschließung in Deutschland hat auch nur annähernd solche Proteste ausgelöst, eine Welle der Solidarität, die wohl einzigartig war. Über 160 Tage tobte der Arbeitskampf, der Zeichen setzte. Auch wenn sie den Kampf um ihr Werk letztendlich verloren haben – am 15. August 1993 verließ die letzte Schicht das Werk – so können die Stahlarbeiter doch einen Sieg für sich verbuchen: Rheinhausen lebt, obwohl der Mythos „Krupp“ stürzte. Auf dem Gelände das alten Stahlwerkes sind in der Logistik viele neue Arbeitsplätze entstanden. Mittlerweile kehrt auch der Stahl zurück: entsprechende Firmen-Ansiedlungen auf dem Logport-Gelände machen es möglich. Rheinhausen lebt, wo Krupp schon lange tot ist!
Ein paar empfehlenswerte Bücher zum Thema:
- Waltraud Bierwirth / Manfred Vollmer: AufRuhr 1987-97,
- Bernd Hendricks: 160 Tage und Nächte in Rheinhausen,
- Der Hochofen vor unserem Fenster. Die Frauen von Rheinhausen
(Hrsg. Schreibwerkstatt der Kruppianer-Frauen) sowie - Josef Krings: Begegnungen.
Leider sind alle Bücher nur noch antiquarisch zu bekommen. Ich suche auch noch – mittlerweile fehlt mir nur noch der Bildband „AufRuhr“ … 🙁
Ebenfalls zu der Zeit im Ruhrgebiet: Thyssen schließt die Henrichshütte in Hattingen …
© 2012 Petra Grünendahl (Text und Fotos)
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