Das Ende des Versuchs von Aufklärung
Von Petra Grünendahl

Aus Platzgründen findet das Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg im CongressCenter der Messe Düsseldorf (CCD) statt. Foto: Petra Grünendahl.

Der Vorstizende Richter Mario Plein (mitte) mit zwei beisitzenden Richtern beim Loveparade-Strafprozess im Gerichtssaal im Congress Center Düsseldorf. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
Unbefriedigend! Ein Kommentar
Eine Aufarbeitung der Geschehnisse hat der Prozess zumindest teilweise leisten können. Aber die Aufarbeitung ist unvollständig – und wird es nun bleiben. Diese Unvollständigkeit hätte aber auch ein abgeschlossener Prozess mit Verurteilung nicht beseitigen können. Verantwortlich für die Katastrophe waren viele, nicht alle sind jedoch strafrechtlich relevant für ihre Handlungen zur Verantwortung zu ziehen! Fehler sind an vielen Stellen gemacht worden, bei weitem nicht nur von den Angeklagten. Und auch nicht nur in der Vorbereitung, sondern auch in Form von Fehlentscheidungen am Tag der Veranstaltung vor Ort. Multikausal soll es der Gutachter Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach, Sachverständiger von der Uni Wuppertal, in seinem bislang nicht veröffentlichten Gutachten zu den vermutlichen Ursachen der Katastrophe genannt haben.
Dass das Gelände nicht geeignet war und zu viele in der Vorbereitung Personen involviert waren, aber es keine zentrale oder übergeordnete Instanz gab, bei der die Fäden zusammen liefen, kann man als Teil des Ursachenkomplexes aus der Verhandlung mitnehmen. Die Veranstaltungsgenehmigung? Gab es nicht. Nur eine Baugenehmigung, die wichtige Aspekte außer Acht ließ – oder vielleicht lassen musste? Wer Probleme sah, meinte nur Schulter zuckend: „Ist nicht meine Baustelle!“, wie in so mancher Zeugenaussage zu hören war.
Strafrecht kann der Verantwortung nicht gerecht werden!

Die neu gestaltete Gedenkstätte für die Opfer der Loveparade 2010 ist fertig: Püntlich kurz vor dem dritten Jahrestag. Foto: Petra Grünendahl.
Wirkliche Aufklärung hätte hier wohl nur ein richtiger (und ergebnisoffener) Untersuchungsausschuss leisten können, da er nicht auf strafrechtliche Relevanz von Schuld beschränkt gewesen wäre. Er hätte klären können, wo Fehler passiert sind und welche Verantwortlichkeit welche Personen / Personenkreise dafür hatten. Diese Verantwortlichkeit mit dem Strafrecht ahnden zu wollen, war von Anfang an ein unmögliches Unterfangen, saßen doch auf der Anklagebank nicht die, denen man mit dem gesunden Menschenverstand ein gewisses Maß an Verantwortung für die Umstände annehmen konnte, die schlussendlich zur Katastrophe geführt haben.
Der Strafprozess war der letzte Strohhalm einer Aufklärung. Das Dilemma einer Aufarbeitung vor Gericht: Was nötig gewesen wäre, war schon mit Prozessbeginn lange versäumt worden. Es wäre direkt nach der Katastrophe der Loveparade 2010 nötig gewesen: Die Verantwortung jenseits der Schuld im strafrechtlichen Sinne klären zu wollen. Um die Klärung dieser Verantwortung als Ursache für die Katastrophe haben sich aber alle gedrückt!
© 2020 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (3), Lars Heidrich / Funke Foto Services (1)