Kein Geld? – Trotzdem handeln mit Visionen!
“Wir brauchen eine echte Bürgerbeteiligung. Das muss über die OB-Abwahl hinausgehen“, führte Moderator Franz Tews die Gesprächsrunde auf der Pressekonferenz im Cafe Museum ein. Duisburger Persönlichkeiten hatten sich zu einem Kreis um dem Oberhausener Kunst- und Kulturhistoriker Professor Roland Günter zusammengefunden. Der Name, unter dem sie sich hier präsentieren, „Ideenwerkstatt Eisenheim“, leitet sich von ihrem Treffpunkt ab: In Oberhausen-Eisenheim ließ Roland Günter 2003 eine „Gelehrten-Bibliothek“ als Arbeits- und Konferenz-Stätte errichten.
Aus diesem Kreis heraus entstand das „Duisburger Manifest“ mit Ideen und Anregungen, wie in Duisburg künftig mehr Stadt für Bürger gemacht werden kann. Die Philosophie dahinter: Die Stadt lebt durch ihre Menschen. Für eine Zukunft muss man die Menschen mitnehmen, nicht an ihnen vorbei planen und genehmigen. „Wir müssen auf keine Karriere Rücksicht nehmen“, sagen die, die sich über einen Neuanfang für Duisburg mit Visionen Gedanken machen. Ihr Aufruf ist gleichsam ein Programm für die Regierenden (Stadtverwaltung und Politik), aber auch für die Bürger: „Wir wollen aufrufen, das Denken zu ändern.“
Ein Ende des in Duisburg seit ein paar Jahren praktizierten Größenwahns forderte Alt-OB Josef Krings. Leuchtturmprojekte wie Loveparade, Küppersmühle, Landesarchiv oder das in Hamborn geplante FOC (Designer-Outlet) kosten nur Geld ohne für die Stadt Duisburg positive Auswirkungen zu haben. Für den Bau des FOC soll die Siedlung am Zinkhüttenplatz abgerissen werden, um Parkplätze für die Einkaufsstadt zu bauen. „Dabei werden die langjährigen Mieter unter Druck gesetzt, möglichst bald auszuziehen“, berichtete der Umwelt-Mediziner Michael Lefknecht, der in seiner Marxloher Hausarztpraxis Patienten aus dieser Siedlung betreut. „Wir brauchen eine Politik mit menschlichem Maß, Größenwahn nimmt die Menschen nicht mit“, so Josef Krings. „Was eine Stadt ausmacht, sind die Menschen, die dort leben. Menschen, die stolz sind zu sagen: Wir sind Bürger unserer Stadt!“
„Integration ist nicht nur ein nebeneinander leben, sondern miteinander leben“, betonte Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg – Mülheim – Oberhausen. „Die Menschen müssen aufeinander zugehen und ihre individuellen Biografien und Bedürfnisse in die Gemeinschaft einbringen.“ Tendenzen zur Separierung von Volksgruppen, wie sie auch in der jüdischen Gemeinde bei Russland-Deutschen vorkommen, müsse entgegen gewirkt werden, denn sie seien mit einer Integration und einem gelebten Miteinander nicht vereinbar, so Rubinstein. „Eine Monokultur ist nicht förderlich!“
„Über 90 Prozent der ‚Probleme’, die jeder Mensch hat, unterscheiden sich nicht von denen anderer Menschen – egal welcher Herkunft: Liebe, Gesundheit, Glück, Familie und der Wunsch nach einer besseren Zukunft für seine Kinder“, sagt Michael Lefknecht, dessen Patienten aus aller Herren Länder stammen. „Wir müssen im Quartier, im Stadtteil aufeinander zugehen.“ Will auch heißen: „Wir müssen die Bürgerbeteiligung an der Stadtteilplanung aus den Bezirken („die sind noch zu groß“, so Josef Krings) in die Stadtteile tragen. Sonst wird der Bürger über den Tisch gezogen, da nicht auf Augenhöhe verhandelt wird: Das ist undemokratisch!“
Die Stadt Duisburg steht mit Haushaltssicherungskonzept unter Aufsicht der Bezirksregierung in Düsseldorf. Große finanzielle Sprünge sind da nicht drin: „Was können wir von den Menschen erwarten – und was müssen wir selber mit einbringen“, fragten sich die Teilnehmer. In einer Stadt, in der vieles, was eigentlich unverzichtbar ist, als „Freiwillige Leistung“ nicht mehr bezahlt werden darf, kann nur das Engagement von Bürgern und Wirtschaft helfen. Dieses Engagement gilt es zu wecken. „Suchet der Stadt Bestes“, zitiert Armin Schneider, Superintendent der Evangelischen Kirche, den Propheten Jeremiah. Das haben wir doch auch schon woanders gehört –Duisburg21 lässt grüßen!
„Kirchen sind öffentliche Räume, deren Bedeutung über die Institution hinaus geht.“ Ihr Wirken beeinflusst das Zusammenleben der Menschen, deswegen kommt ihnen auch eine über die Religion und Religionszugehörigkeit hinausgehende Bedeutung zu. „Diese Offenheit ist in Duisburg über Religionsgemeinschaften hinweg vorhanden“, so Schneider. Und deswegen sollte man auch die Kirche(n) im Dorf lassen!
Das „Duisburger Manifest“ versteht sich als Ideensammlung, welches mehr Bürgerbeteiligung und damit mehr Bürgerengagement fordert, aber auch Politik und Verwaltung auffordert, dieses zuzulassen und einzubinden, um Duisburg voran zu bringen. „Wir müssen Bürgerbeteiligung als Chance der Gestaltung zulassen, damit sich die Bürger auch einbringen.“ Denn: Ohne Moos ist nur dann nix los, wenn sich niemand engagiert. Bürgerbeteiligung muss ernst genommen werden: von der Verwaltung, von der Politik und von den Bürgern. Denn Bürgerbeteiligung lebt vom Bürgerengagement!
Wer Interesse an der Publikation „Kein Geld? – Trotzdem handeln mit Visionen!“ hat, sollte sich mit dem Werkbund NRW als Herausgeber/Verleger der 52-seitigen Publikation in Verbindung setzen: Kontaktdaten findet man hier …
© 2012 Petra Grünendahl (Text und Foto)
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