Preview im Lehmbruck-Museum mit Zeitzeugen: „ WDR Heimatabend Duisburg“

Die Talkrunde mit Zeitzeugen nach der Aufführung des Films (v. l.): Friedbert Barg, Ali Güzel (geb. 1966, kam 1976 mit 9 Jahren nach Deutschland), Annegret Finke (war bei Thyssen), Bernhard Dietz, Alt-OB Josef Krings und WDR-Moderatorin Ines Rothmeier.

Die Talkrunde mit Zeitzeugen nach der Aufführung des Films (v. l.): Friedbert Barg, Ali Güzel (geb. 1966, kam 1976 mit 9 Jahren nach Deutschland), Annegret Finke (war bei Thyssen), Bernhard Dietz, Alt-OB Josef Krings und WDR-Moderatorin Ines Rothmeier.

Alle Wege führen nach Duisburg

„Die Solidarität ist die Seele Duisburgs“, äußerte Alt-Oberbürgermeister Josef „Jupp“ Krings in der Talkrunde auf die Frage der Moderatorin Ines Rothmeier, was für ihn Duisburg ausmache. Andere in der Talkrunde äußerten sich ähnlich, um das gemeinsame Ärmelaufkrempeln und das Zusammenstehen für gemeinsame Ziele zu umschreiben. Dies habe zuletzt beim Kampf um die Lizenzerteilung für den MSV Duisburg so beeindruckt, erinnerte Fußballlegende Bernhard „Ennatz“ Dietz.

 

wdr-westdeutscher-rundfunkZehn Folgen „Heimatabend“ stehen beim WDR im Oktober und November auf dem Programm: Zehn Städte in alten Bildern, kommentiert von Zeitzeugen. Zum Preview-Abend des „Heimatabend Duisburg“ hatte der WDR Interessierte und Zeitzeugen ins Foyer des Lehmbruck-Museums eingeladen. Nach dem 60-minütigen Film (im Fernsehen laufen jeweils nur 45 Minuten) kamen in einer Talkrunde Zeitzeugen zu Wort. Den Duisburger „Heimatabend“-Film hat der aus Gelsenkirchen stammende Frank Bürgin gedreht. Der Preview-Abend war auch Thema in der „WDR-Lokalzeit Duisburg“, für die Chadia Hamadé Stimmen einfing.

Live-Schaltung in die Lokalzeit Duisburg: Chadia Hamadé im Gespräch mit Friedbert Barg auf dem Preview-Abend des Film „Heimatabend Duisburg“.

Live-Schaltung in die Lokalzeit Duisburg: Chadia Hamadé im Gespräch mit Friedbert Barg auf dem Preview-Abend des Film „Heimatabend Duisburg“.

Ruhrorter Kneipen – Ruhrorter Flair

Geboren, aufgewachsen und ins Berufsleben eingetreten ist auch Friedbert Barg, Chefredakteur des Schifffahrts-Magazins, in Duisburg. Und den Duisburger will er auch nicht verleugnen: „In Duisburg habe ich mein Selbstbewusstsein bekommen.“ Viele Strecken der alten Filmsequenzen, die in den Film eingeflossen und von Zeitzeugen ergänzt und kommentiert wurden, stammen aus Ruhrort, den Häfen und der Binnenschifffahrt, die den Duisburger Hafenstadtteil früher ganz anders prägte als heute. „Damals gingen die Matrosen von den auf Entladung wartenden Schiffen in die Kneipen in Ruhrort, wo schon morgens viel los war“, erzählte Friedbert Barg, der diese Zeit noch miterlebt hat, als er als Schiffsjunge in der Binnenschifffahrt anfing. Heute warten die Schiffe nicht mehr auf das Löschen der Ladung. Die Abläufe sind effizienter. Dafür ist der Hafenstadtteil deutlich beschaulicher. Manch einer mag das bedauern.

Chadia Hamadé berichtet live aus dem Lehmbruck-Museum für die Lokalzeit Duisburg vom Preview-Abend des Film „Heimatabend Duisburg“.

Chadia Hamadé berichtet live aus dem Lehmbruck-Museum für die Lokalzeit Duisburg vom Preview-Abend des Film „Heimatabend Duisburg“.

Viel Filmmaterial konnte das Stadtarchiv aus den Zwanziger Jahren beisteuern, als für Duisburg alle Zeichen auf Aufschwung und Wohlstand standen. Hafen und Industrie brummten. Tief berührt haben so manch einen im Publikum die Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg, von den Luftangriffen und der zerstörten Stadt. Emmi Pannenbecker mit ihren fast 100 Jahren erzählte im Film, wie sie den Krieg in Duisburg erlebt hatte. Die lokal engagierte ehemalige Kulturpolitikerin erzählte auch vom Wiederaufbau der Kultur und des Theaters nach dem Krieg. Andere kamen aus dem Kriegsgeschehen zurück in ihre zerstörte Heimatstadt: „Ich habe mich hingesetzt und geheult“, bekannte Werner Konrad als Zeitzeuge im Film.

Duisburgs Wirtschaft blüht wieder auf
Der Boom der Nachkriegsindustrie brauchte Arbeitskräfte. Erst kamen die Kriegsheimkehrer. Dann wurden sie in Südeuropa und der Türkei angeworben. „Am Hochofen hat niemand erkannt, ob welcher Herkunft du warst. Man hat zusammen gearbeitet“, erzählte Josef Krings. Das bestätigte auch Ali Güzel. Sein Vater war in den Sechziger Jahren nach Duisburg gekommen, um im Stahlwerk zu arbeiten. Erst mit neun Jahren durfte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nachkommen: „Es war ein Kulturschock damals.“

Dreck, Lärm und Abgase aus jener Zeit lassen sich nicht wegdiskutieren, sind sie doch Teil der Industrie gewesen: der Preis für Arbeitsplätze und Wohlstand. Dass man es bei diesen grauen Bildern belassen hat, ohne das deutlich sauberere „Heute“ zu zeigen, kann man den Film ankreiden. Denn Duisburg und das Ruhrgebiet haben sich verändert seit damals. Blauen Himmel und Grün gibt es mittlerweile trotz Schwerindustrie. Duisburg ist eine Stadt der Vielfalt geworden – und der Gegensätze. „Ich bin Duisburger und will hier auch nie wieder weg. Ich habe zwei Wurzeln“, sprach Güzel vielen Duisburgern mit Migrationshintergrund aus der Seele.

Der sehr gut besuchte Preview-Abend fand im Foyer des Lehmbruck-Museums statt.

Der sehr gut besuchte Preview-Abend fand im Foyer des Lehmbruck-Museums statt.

TV-Kommissar ist heute Kult

Kein Film über Duisburg kommt ohne Horst Schimanski aus. Der Proll-Kommissar, der damals polarisierte, zumal: „Kein Polizist in Duisburg sah so runtergekommen aus wie Schimanski“, wie Friedbert Barg anmerkte, der nach seiner Zeit als Schiffsjunge und Matrose in der Binnenschifffahrt von 1968 bis 1971 Polizeibeamter im Duisburger Schutzbereich II (Hafen) war. Auch der Alt-OB Krings war damals von der seiner Meinung nach schlechten Werbung durch den TV-Kommissar gar nicht begeistert. Dass Schimanski mit seiner Ehrlichkeit und Direktheit Spiegel des kleinen Mannes im Revier ist, wird ihm indes hoch angerechnet: Heute ist er Kult!

Der Blüte der Stahlindustrie folgte die Krise. der Krupp-Arbeitskampf in Rheinhausen setzte Zeichen. „So gut die Sozialpläne für die ausscheidenden Mitarbeiter waren, das Schlechte war: Die Arbeitsplätze waren weg“, erzählte Annegret Finke, Betriebsrätin bei ThyssenKrupp Steel. Egal, ob Krupp, Thyssen oder Mannesmann: Alle Stahlarbeiter waren damals zum Protest gegen die Schließung der Krupp-Hütte auf die Straße gegangen – gelebte Solidarität auch hier.

Duisburg ist immer noch ein bedeutender Industriestandort, der Hafen hat und hatte immer großen Anteil daran. Um ihn dreht sich auch heute im Wirtschaftsleben eine ganze Menge, auch wenn er nicht der alleinige Dreh- und Angelpunkt des Verkehrs ist. Alle Wege führen nach Duisburg: Per Schiff, per Eisenbahn oder über die Straße. Dass es auch mal Flugplätze in Duisburg gegeben hat, hat der Film leider verschwiegen. Gut, diese eigneten sich nur für Kleinflugzeuge (Neuenkamp) und Wasserflugzeuge (Wanheim), also nicht für die Anreise von Menschenmassen. Aber immerhin: Duisburg war auch mal aus der Luft erreichbar.

Duisburg wurde als dreckige Industriestadt dargestellt, ohne den immer vorhandenen Gegenpol zu thematisieren. Zeitmangel (bei 60 Min.) oder Nachlässigkeit? Insgesamt blieb der Film sehr an der Oberfläche. Aus über 200 Stunden Filmmaterial galt es auszuwählen. Da musste viel auf der Strecke bleiben. Zumal Duisburg allein in der Gegenwart so vielfältig ist, dass man Hunderte von Büchern oder Filmen damit füllen könnte, ohne sich zu wiederholen.

Rund „15 Prozent Zuwanderer“ wurden im Film erwähnt. Das ist etwas undifferenziert: Knappe 15 Prozent beträgt der „Ausländeranteil“. Eine echte „Zuwandererzahl“ wird statistisch gar nicht erfasst – wie auch? – Ein gutes Drittel der Duisburger hat einen Migrationshintergrund. Was nicht heißt, dass Duisburger mit Migrationshintergrund nicht mittlerweile überwiegend in Duisburg geboren, aufgewachsen und deutscher Nationalität sind. Ebenfalls verschwiegen (weil statistisch nicht erfassbar) werden die Zugezogenen ohne Migrationshintergrund: Auch sie gibt es, die freiwillig 🙂 in Duisburg leben und stolz auf unsere Stadt sind. Josef Krings ist hier wohl das beste Beispiel!

Warum wir Duisburg lieben
„Duisburg ist eine starke Stadt“, antwortete Friedbert Barg. „Wegen der Solidarität“, meinte Ali Güzel, und: „weil die Menschen füreinander einstehen“, so „Ennatz“ Dietz. Solche abschließenden Aussagen aus der Talkrunde im Lehmbruck-Museum haben übrigens manche Fernsehzuschauer, die nur den Film im Fernsehen sahen, schmerzlich vermisst. Das hätte den Film so richtig rund gemacht!

Abschlussfoto beim Preview-Abend im Lehmbruck-Museum. Hintere Reihe (v. l.): WDR-Moderatorin Ines Rothmeier, WDR-Programmgruppenleiterin Christiane Hinz, Ali Güzel, Friedbert Barg, Josef Krings. Vordere Reihe (v. l.): Annegret Finke, Emmi Pannenbecker, Bernhard Dietz, Frank Bürglin.

Abschlussfoto beim Preview-Abend im Lehmbruck-Museum. Hintere Reihe (v. l.): WDR-Moderatorin Ines Rothmeier, WDR-Programmgruppenleiterin Christiane Hinz, Ali Güzel, Friedbert Barg, Josef Krings. Vordere Reihe (v. l.): Annegret Finke, Emmi Pannenbecker, Bernhard Dietz, Frank Bürglin.

Was bleibt …
Es wäre zu wünschen, dass man sich wieder darauf besinnt, was Duisburg zu etwas Besonderem macht. Denn nur damit lassen sich die Probleme in unserer Stadt lösen. Projekte wie das von Annegret Finke erwähnte „Tausche Bildung gegen Wohnen“ im Norden unserer Stadt sind da ein guter Anfang, denn Kinder sind die Zukunft – auch da, wo einer Integration der älteren Generation insbesondere in den Arbeitsmarkt Grenzen gesetzt sind. WIR sind Duisburg!

Den „Heimatabend Duisburg“ im WDR gibt es hier:
https://www1.wdr.de/fernsehen/heimatflimmern/sendungen/heimatabend-duisburg130.html
Die „Lokalzeit Duisburg“ im WDR ist leider nicht mehr verfügbar …

In einer kürzeren Version ist der Artikel erschienen im:
Schifffahrts-Magazin (Heft 10/2013, Seiten 10 – 11).

© 2013 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl, WDR (historisch)

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