Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag 2013 im Duisburger Ratssaal

Sören Link: „Keinen Krieg erlebt zu haben, ist ein Privileg!“
Schon kurz nach Hitlers Machtergreifung vor 80 Jahren gehörten die freien Gewerkschaften und die demokratischen Parteien zu den ersten Opfern der Nationalsozialisten, die den Reichstagsbrand – vermutlich Tat eines Einzelnen im Februar 1933 – nutzten, Freiheit und Menschenrechte in Deutschland zu beseitigen. Das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 bot dann geeignete Mittel, unliebsame Organisationen wie freie Gewerkschaften aus dem Weg zu schaffen. Der Krieg kam Jahre später, als fast niemand mehr da war, der sich den Nationalsozialisten in den Weg stellte. Das darf nie wieder geschehen!

Angelika Wagner, Vorsitzende des DGB Niederrhein, eingerahmt von Bürgermeister Manfred Osenger (l.) und Bürgermeister Erkan Kocalar (r.) am Mahnmal für die Gewerkschafter

Angelika Wagner, Vorsitzende des DGB Niederrhein, eingerahmt von Bürgermeister Manfred Osenger (l.) und Bürgermeister Erkan Kocalar (r.) am Mahnmal für die Gewerkschafter

“Seit 56 Jahren erinnert der DGB jährlich an den Kriegsbeginn 1939“, erklärte Angelika Wagner, Vorsitzende des DGB Duisburg-Niederrhein, zur Einführung in die Gedenkveranstaltung, die traditionell im Ratssaal des Duisburger Rathauses am Burgplatz stattfindet. Die Gewerkschaften in Deutschland und gerade in Duisburg haben guten Grund, „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ zu mahnen: „Krieg kann nie mit Krieg, Unrecht nicht mit Unrecht vergolten werden.“ Frieden, Freiheit und Menschenwürde gehen Hand in Hand, denn nur in Freiheit können Gewerkschaften ihren sozialen Auftrag erfüllen. Heute mahnen sie, es nie wieder so weit kommen zu lassen!

„Dass meine Generation keinen Krieg erlebt hat, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Privileg“, erklärte Oberbürgermeister Sören Link in seiner Ansprache. „In vielen Teilen der Welt sind wir vom Frieden, einem dauerhaftem Frieden weit entfernt. Das zeigt vor allem eins: Der Antikriegstag wird nicht überflüssig.“ Und mit einem Verweis auf die aktuelle Situation in Duisburg sagte er: „Ich schäme mich für Leute, wegen denen kleine Kinder nur in Anziehsachen schlafen gehen, weil sie Angst haben müssen, dass diese Leute ihr Haus abfackeln.“

Historiker Werner Milert

Historiker Werner Milert

Erinnern heißt Vorbeugen!
Als Hauptredner hatten die Verantwortlichen den aus Duisburg stammenden Berliner Historiker Werner Milert eingeladen, der sich in seiner Mahn- und Gedenkrede mit der Zerschlagung der Mitbestimmung vor 80 Jahren und ihren Folgen für Frieden und Freiheit im Dritten Reich beschäftigte. Mit der Ermordung von Gewerkschaftern und Demokraten begannen die Nationalsozialisten einen Kreuzzug, der letztendlich etwa 55 Millionen Menschen das Leben, vielen weiteren Millionen Menschen Angehörige, ihre Gesundheit und/oder Heimat kostete. Zur Ausstellung „Zerschlagung der Mitbestimmung 1933“, die von Berlin jetzt durch ganz Deutschland zieht (und bis morgen im Duisburger Ratssaal zu sehen ist), hat Milert zusammen mit Rudolf Tschirbs den Ausstellungskatalog verfasst (siehe unten).

Mit dem ersten Betriebsrätegesetz in der Weimarer Republik (1920), so erzählte Milert, sei Deutschland Pionier der Mitbestimmung gewesen. Dieses duale System verschaffte Deutschland übrigens in den Siebziger und Achtziger Jahren insbesondere gegenüber streikgebeutelten Nationen wie Großbritannien oder Italien enorme wirtschaftliche Vorteile: auch wegen des sozialen Friedens, den die Mitbestimmung sicherte. Die Mitbestimmung war zu Beginn in den zwanziger Jahren sehr umstritten und wurde attackiert: von Rechts (Unternehmer und Wirtschaftsführer, die auch die Nationalsozialisten unterstützten und ihren alleinigen Machtanspruch sichern wollten) ebenso wie von Links (Kommunisten sprachen vom Pakt mit dem Klassenfeind). Die Mitbestimmung hat sich bis heute gehalten und in unserer Demokratie ein soziales Gleichgewicht gesichert.

Die Gewerkschaften und demokratischen Parteien hätten die Nationalsozialisten 1933 nicht gekämpft, so Milert, da sich diese zunächst auf den Grundlagen der Verfassung bewegten. Als die Nazis nach dem Ermächtigungsgesetz mit weiteren Gesetzen den Boden der Demokratie verließen, war es zu spät: Die Faschisten hatten die (sozial-)demokratischen (und linke) Kräfte schneller beseitigt und in den Untergrund (oder ins Ausland) getrieben, als – zu der Zeit – ein Widerstand entstehen konnte.

Den musikalischen Rahmen gestaltete im voll besetzten Ratssaal die litauische Sängerin und Musikerin Danaja, die eine Zeit lang in Duisburg gelebt hatte und hier kurzfristig für den Stattchor Duisburg eingesprungen war, der traditionell bei dieser Veranstaltung singt.

Kranzniederlegung am Mahnmal

Mahnmal für die getöteten Gewerkschafter vor dem Haus Ruhrorter Straße 11

Mahnmal für die getöteten Gewerkschafter
vor dem Haus Ruhrorter Straße 11

Nach der Gedenkveranstaltung im Rathaus zogen die Gedenkenden zum Mahnmal für die vier Gewerkschafter, die die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933 nicht nur (neben 14 anderen) verhaftet und gefoltert, sondern auch ermordet hatten. Das Mahnmal „Erfahrbare Wände“ von Gabriella Fekete – vier leere Stühle vor Steinblöcken – steht auf der Ruhrorter Straße vor dem Haus Nummer 11, wo damals das Gewerkschaftshaus stand. Dort im Keller waren die Duisburger Gewerkschafter Julius Birck, Emil Rentmeister, Johann Schlösser, und Michael Rodenstock ermordet und anschließend im Hünxer Wald verscharrt worden (siehe Schriftenreihe der DGB Jugend Duisburg: Broschüre „2. Mai 1933 – Tatort Duisburg“ https://niederrhein.dgb.de/ueber-uns/dgb-jugend/downloads/schriftenreihe/++co++8ccef56a-ad72-11e1-4192-00188b4dc422). Stellvertretend für die Opfer des Krieges wurden hier die traditionellen Kränze niedergelegt und der Opfer gedacht.

Weiterführende Literatur
Hochinteressant zum Thema „Zerschlagung der Gewerkschaften 1933“ ist dieser Ausstellungskatalog aus dem Jahr 2008 (https://www.boeckler.de/pdf/ausstellung_1933_katalog.pdf) sowie der aktuelle Ausstellungskatalog „Zerschlagung der Mitbestimmung 1933“ der Historiker Werner Milert und Rudolf Tschirbs (https://www.boeckler.de/pdf/v_2013_04_08_katalog.pdf).

© 2013 Petra Grünendahl (Text und Fotos)

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