Seit dem 27. Juli 201 ist die Gruppe um Kornelia Hendrix dort aktiv. Die nennen sich „Never Forget den Opfern der Loveparade“. Seit Februar sind sie ein eingetragener Verein und gemeinnützig. Sie wollen jenen eine Heimat und einen Ort geben, die der Katastrophe gedenken. Dieser Kreis ist groß. Und er beschränkt sich nicht auf die Angehören und Hinterbliebenen der Opfer (Toten) oder auf die Verletzten und Traumatisierten. Das macht dieser Abend an der Rampe – mehr als frühere Besuche dort – deutlich.
Dieser Ort hier ist wichtig! Hier gedenken die Menschen – nicht gute 300 Meter weiter, wo das „Mahnmal“ steht. Zur Rampe kommen eine ganze Reihe unterschiedlichster Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen … an diesem Abend wie an so vielen anderen Tagen und Abenden auch. Manche fahren auch nur vorbei, bremsen, gucken und fahren weiter, wenn sie Leute vor Ort sehen. Es gibt viele, die nur im Dunkeln kommen und alleine sein wollen an diesem Ort. Hat es übrigens von Anfang gegeben, hatte mir damals einer der Notfallseelsorger erklärt – in den ersten Tagen „danach“ …
Die Trauer zeigt ein Gesicht
Angehörige kommen regelmäßig
Angehörige der Verstorbenen waren an diesem Abend nicht da. „Einige von ihnen erscheinen hier aber regelmäßig“, erzählt Dirk Schales, zweiter Vorsitzender von Never Forget. Er ist häufig hier, mehrmals die Woche. Andere aus seinem Verein sogar täglich: Die Blumen wollen gegossen, die Kerzen wieder neu angezündet werden. Die „Nevers“ kennen die Angehörigen der Opfer ebenso wie andere regelmäßige Besucher dieses Ortes der Trauer und des Gedenkens.
Inwieweit unter den Besuchern dieses Abends Verletzte oder Traumatisierte sind, ist nicht auszumachen. Nicht mit jedem kann man sprechen. Manche wollen kein Gespräch, bleiben allein oder „unter sich“, wenn sie zu mehreren kommen. Unter sich bleibt zum Beispiel eine Gruppe mit zwei jungen Mädchen und einem jungen Mann. Das eine Mädchen scheint – ihrer Gestik nach zu urteilen – bei der Loveparade und möglicherweise auch zur Unglückszeit auf der Rampe dabei gewesen zu sein …
Manch einer aus der näheren Umgebung ist – genau wie ich – nicht zum ersten Mal hier. Viele Menschen kommen hierher zum Gedenken, zur Trauer, ohne bei der Loveparade gewesen zu sein. Was geschehen ist, hat dennoch auch bei ihnen Spuren hinterlassen. Sie suchen diesen Ort auf, weil dieser Ort für die Katastrophe steht. Für Tote, Verletzte und … vielleicht auch für das Versagen einer Verwaltung, deren oberster Chef bis heute seiner Verantwortung nicht gerecht wird.
Andere kommen – allein oder in Begleitung – zum ersten Mal. Diejenigen, mit denen man ins Gespräch kommt, wundern sich, wie klein die Rampe eigentlich ist. Im Fernsehen und auf den Zeitungsfotos sah alles viel größer aus, breiter, geräumiger. Die Weitwinkelobjektive der Kameras haben die Bilder des Geschehens verzerrt: Medienwirklichkeit trifft Realität.
Ort der Stille – aber auch der Kommunikation
Einige Menschen wollen reden. Müssen in Worte fassen, was sie bewegt. Wir kommen mit zwei Ehepaaren mittleren Alter ins Gespräch. Die eine Frau stammt aus Rheinhausen und hat vor Jahrzehnten nach Süddeutschland geheiratet. Die Katastrophe des letzten Jahres hat sie und ihren Mann sehr erschüttert. Duisburg war schließlich ihre Heimat. Natürlich interessiert sie, wie es nach der Loveparade in Duisburg weiterging. Sie wollen wissen, was hier mit der Rampe passieren wird. Dass ein „gewisser Personenkreis“ die Rampe liebend gerne zuschütten möchte (damit alle Spuren der Katastrophe beseitigt und begraben werden), lässt die beiden Paare ebenso mit dem Kopf schütteln wie die Tatsache, dass der verantwortliche Oberbürgermeister immer noch im Amt ist. Von „Amt und Würden“ kann man angesichts des laufenden Abwahlverfahrens ja wohl nicht mehr sprechen. Dass dieses immerhin läuft, lässt die „Süddeutschen“ dann doch wieder an Gerechtigkeit glauben … 😉
© 2011 Petra Grünendahl (Text und Fotos)