Loveparade-Strafverfahren: Presseerklärung des Landgerichts Duisburg

Die Anklagevorwürfe:
Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung (im Amt)

Fertig gestellte Gedenkstätte für die Opfer der Loveparade 2010 in DuisburgIm Loveparade-Strafverfahren prüft die 5. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg derzeit die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe gegen die Beschuldigten im sogenannten Zwischenverfahren. Dabei prüft die Kammer unter anderem, ob das den Beschuldigten vorgeworfene Verhalten Straftatbestände verwirklicht und ob die tatsächlichen Umstände, auf die die Anklage sich stützt, in einer etwaigen Hauptverhandlung voraussichtlich bewiesen werden können. Diese zeitaufwändige Prüfung dauert derzeit an. Eine Entscheidung kann jedenfalls nicht vor Ablauf der derzeit bis Mitte September laufenden Stellungnahmefristen erfolgen. Wegen der Einzelheiten zum Verfahrensablauf verweise ich auf die Presseerklärung vom 12.02.2014 (siehe auch hier: https://duisburgamrhein-betrachtungen.de/2014/02/12/loveparade-2010-in-duisburg-ermittlungsverfahren-abgeschlossen-staatsanwaltschaft-erhebt-anklage/).

Die Anklagevorwürfe lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die 10 Beschuldigten sollen durch Fehler bei der Planung und/oder Genehmigung dazu beigetragen haben, dass bei der Loveparade am 24.07.2010 in Duisburg insgesamt 21 Menschen ums Leben kamen und mehr als 650 Menschen verletzt wurden. Auch soll gegen Auflagen verstoßen bzw. deren Einhaltung nicht überwacht worden sein. Die Getöteten stammten aus Deutschland, Australien, den Niederlanden, Spanien, Italien und China. Die 18 exemplarisch zum Gegenstand der Anklage gemachten Körperverletzungen betreffen 17 Veranstaltungsbesucher, darunter fünf aus Duisburg, und einen bei der Veranstaltung eingesetzten Polizeibeamten.

Die Anklage geht davon aus, dass das Zu- und Abgangssystem zur Veranstaltung am Nachmittag des 24.07.2010 aufgrund von Fehlern zusammenbrach, die bereits in einer unzureichenden Planung angelegt waren. Durch den starken Zustrom von Besuchern habe sich ein Personenstau auf der Zugangsrampe gebildet. Der immense Druck in dieser Menschenmenge habe dann zu den 21 Todesfällen und den – teilweise schweren – Verletzungen geführt.

Als Mitarbeiter der Veranstalterin L. GmbH sind der 43-jährige Kersten S., der 37-jährige Johann S., der 54-jährige Lutz W. und der 61-jährige Günther S. angeklagt. Diese sollen als Gesamtleiter, Produktionsleiter, Sicherheitsverantwortlicher und technischer Leiter des Projekts bei der L. GmbH verantwortlich gewesen sein. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, ein ungeeignetes Zu- und Abgangssystem für die Veranstaltung geplant zu haben, mit dem die Besucher nicht sicher auf das Veranstaltungsgelände geführt werden konnten. Insbesondere die als Zu- und Abgang zu dem Gelände im Bereich des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs genutzte sogenannte östliche Rampe soll zu eng gewesen sein, um die prognostizierten Besucherströme, denen die tatsächlichen in etwa entsprochen haben sollen, aufnehmen zu können.

Es soll für diese Beschuldigten vorhersehbar gewesen sein, dass es im Verlauf der Veranstaltung zwangsläufig zu lebensgefährlichen Situationen kommen musste, da zu viele Menschen auf engem Raum zusammengedrückt würden.

Angesichts der mit der Veranstaltung verbundenen baulichen Maßnahmen, unter anderem der vorgesehenen Einzäunung, hat die Veranstalterin eine Baugenehmigung beantragt, die beim Amt für Baurecht und Bauberatung der Stadt Duisburg bearbeitet wurde. In diesem Zusammenhang werden sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg angeklagt.

Beschuldigt werden der 67-jährige Jürgen D., die 48-jährige Anja G. und der 55-jährige Reimund D., die bei der Stadt Duisburg in leitender Funktion tätig waren, nämlich als damaliger für Stadtentwicklung zuständiger Beigeordneter, als Amtsleiterin des Amtes für Baurecht und Bauberatung und als zuständiger Abteilungsleiter. Diesen wirft die Staatsanwaltschaft vor, das Baugenehmigungsverfahren nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt zu haben. Bei pflichtgemäßer Überwachung der ihnen unterstellten Mitarbeiter, so der Vorwurf, wären die schwerwiegenden Planungsfehler erkannt und die beantragte Genehmigung nicht erteilt worden. Der Abteilungsleiter sei dabei für die Überwachung des Prüfungsteams, die Amtsleiterin für die Überwachung des Prüfungsteams und des Abteilungsleiters und der Beigeordnete für die Überwachung der Amtsleiterin verantwortlich gewesen.

Den drei weiteren städtischen Mitarbeitern wird vorgeworfen, die beantragte Genehmigung erteilt zu haben, ohne dass die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen dafür nach der Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Sonderbauverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vorlagen. Dabei handelt es sich um den 52-jährigen Ralf J., den 52-jährigen Peter G. und den 59-jährigen Ulrich B. Die Anklage geht davon aus, dass alle drei Sachbearbeiter ein Genehmigungsteam bildeten. In formeller Hinsicht habe insbesondere das erforderliche Einvernehmen zu dem in der Sonderbauverordnung erwähnten Sicherheitskonzept unter Beteiligung von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gefehlt. Inhaltlich sei die Sicherheit der Besucher aufgrund von Planungsfehlern nicht gewährleistet gewesen.

Der tragische Verlauf der Veranstaltung soll für die beschuldigten städtischen Mitarbeiter aufgrund ihrer Kenntnisse aus Planungsunterlagen und Besprechungen vorhersehbar gewesen sein.

Allen zehn Beschuldigten wird vorgeworfen, darüber hinaus die Verantwortung für eine zusätzliche Verengung der östlichen Rampe am Veranstaltungstag zu tragen. Die an der schmalsten Stelle 18,28 Meter breite Rampe soll am Veranstaltungstag durch aufgestellte Zäune auf 10,59 Meter verengt gewesen sein. Den Mitarbeitern der Veranstalterin wird insoweit vorgeworfen, gegen Auflagen aus der Baugenehmigung verstoßen zu haben. Die Anklage geht davon aus, dass die östliche Rampe nach der Genehmigung von Hindernissen frei gehalten werden musste. Den städtischen Bediensteten wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, die Einhaltung der Genehmigungsbedingungen pflichtwidrig nicht kontrolliert zu haben. Insbesondere habe der damalige Beigeordnete die Mitarbeiter des Bauamtes rechtswidrig davon entbunden, am Veranstaltungstag eine abschließende Kontrolle vorzunehmen.

Alle Beschuldigten sollen sich daher der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig gemacht haben, wobei die Anklage hinsichtlich der städtischen Mitarbeiter jeweils von einer fahrlässigen Körperverletzung im Amt ausgeht. Die drei leitenden Funktionsträger der Stadt sollen die Tat durch Unterlassen begangen haben, die übrigen Beschuldigten durch ihre jeweiligen Handlungen.

Hintergrund: Fahrlässige Tötung / Körperverletzung

– Presseinformation des Landgerichts Duisburg –

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2 Antworten zu Loveparade-Strafverfahren: Presseerklärung des Landgerichts Duisburg

  1. Diese Katastrophe ist vielen noch frisch im Gedächtnis. Das
    Bedürfnis die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen ist
    dementsprechend groß. Es ist sehr enttäuschend zu sehen,
    dass das missachten von Regeln durch die Verdächtigen
    tödliche Folgen hatte.

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